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Friedensaktion 2022 (Fachgruppe Politik)

23. November 2022 | Schulleben

“Wir haben nicht das Recht, andere Kulturen zu richten” Ein Vortrag über die UNAMA-Mission am GBN

Sie sieht uns mit leuchtenden Augen an und schwärmt ganz ungeniert von den Vereinigten Nationen. Schließlich hatte sie ja auch vor, ein wenig Werbung für uns zu machen, sei die UN als Arbeitgeber doch phänomenal! „In sechs Monaten Afghanistan habe ich mehr Action erlebt als in fünf Jahren Deutschland!“, schwärmt Rita Taphorn von ihren Erfahrungen im Ausland. Wir sind ein wenig verwirrt: Geht es hier nicht um Krieg? Um Gewalt und Unrecht, um die Taliban?

Rita Taphorn ist Expertin in internationaler Entwicklungskooperation im Bereich Demokratisierung, Gute Regierungsführung und Gleichstellung. 2004 hat sie sechs Monate lang für die UN als Acting Head of Agency für UNIFEM (Entwicklungsfonds der Vereinten Nationen für Frauen) gearbeitet und sich für die Gleichstellung von Männern und Frauen in Afghanistan eingesetzt. Heute ist sie im Rahmen unseres Friedenstages in unseren Politikleistungskurs (13, Bf) gekommen, um uns mit ihren Erfahrungen und ihrem Wissen vertraut zu machen. Rita Taphorn erklärt uns, welche Suborganisationen die UN hat, welche Rolle sie in der internationalen Friedenssicherung erhält und warum das Vetorecht der ständigen Mitglieder im Sicherheitsrat problematisch ist. Hauptthema der heutigen Stunde ist aber vordergründig die UNAMA (United Nations Assistant Mission in Afghanistan), die 2002 ins Leben gerufen wurde. Ziel dieser Mission war es, mit Kooperation und Eigenverantwortung der afghanischen Regierung, den nachhaltigen Frieden in Afghanistan zu sichern, nachdem das Land seit Mitte der 90-iger Jahre bis 2001 von der Terrororganisation Taliban kontrolliert worden war. Die politische Arbeit dieser Mission umfasst dabei Aufgabenbereiche, die von der Unterrichtung von Rechtswesen bis hin zur Koordinierung der verschiedenen UN-Agenturen reichen.

Rita Taphorn berichtet von ihren Begegnungen mit den Menschen und wie der Einfluss der Taliban das Land verunsichert hat. Besonders kulturell. In den 90-iger Jahren war Afghanistan eine Hochkultur, „mit Miniröcken und fantastischer Musik“, weltoffen und neugierig. Viel ist davon seit der Machtübernahme der Terrororganisation nicht übrig geblieben. Das Bild von Menschen in Afghanistan hat sich gewandelt, Klischees und Nachrichtenbilder übernehmen heute die Meinungsbildung unserer Gesellschaft. „Wir haben so oft schlechte Nachrichten über die Afghanen, das tut mir in der Seele weh.“, gesteht Rita Taphorn. In ihrer Zeit in Afghanistan hat sie mit vielen Afghanen vor Ort zusammengearbeitet. Sie erzählt uns von ihren KollegInnen, betont sehr stolz, dass auch viele Männer für die UN arbeiten, um die Gleichstellung von Männern und Frauen zu fördern. „Afghanistan ist das Land, in dem es am schwersten ist, eine Frau zu sein. Oder möchtest du schon mit vierzehn verheiratet werden und zehn Kinder bekommen?“, fragt sie Maja in der ersten Reihe. Maja schüttelt schnell den Kopf, Rita Taphorn nickt bedächtig.

Sie berichtet, wie sie in Afghanistan mit ihren KollegInnen ein Frauengefängnis besucht hat. Sie sprach mit einem Mädchen in unserem Alter und fragte sie, warum sie hier säße, was ihr angebliches Verbrechen sei. „Sie hatte sich verliebt“, erzählt unsere Expertin, „in einen Jungen, mit dem sie sich getroffen hat. Und sich zu verlieben, ist in Afghanistan verboten.“ Wir lernen schnell: Gleichstellung in der Gesellschaft und vor Gericht ist nicht bloß fehlend, sondern auch nicht von den Taliban erwünscht. Frauen dürfen nicht neben fremden Männern sitzen, also müssen sie im Kofferraum Platz nehmen; Frauen dürfen sich nicht verlieben, also werden sie mit Soldaten des Taliban verheiratet.

Schließlich wird auch die eigene Sicherheit zum Thema: Wie gefährlich ist es, in Afghanistan zu arbeiten? Als Verantwortliche für ihr 30-köpfiges Team gehörte es mit zu ihren Standardaufgaben, Bunker, Konserven und Schutzwesten zu kaufen. Gerade bei internationalen Personen achte die UN besonders auf die Sicherheit ihrer MitarbeiterInnen. „Und auf den Urlaub!“, ergänzt sie. Denn alle sechs Wochen wird man ausgeflogen, nach Dubai zum Beispiel, um sich ein paar Tage zu erholen. Eine Pflichtveranstaltung, die der psychischen Gesundheit der UN-Angestellten diene.

Zwischen unseren Diskussionsrunden und Rita Taphorns Erzählungen kommt öfter die Frage auf, inwiefern das Eingreifen und Handeln der UN legitimiert sei. Immer wieder sagt sie „Warum mischen wir uns ein, was geht uns das an, was die Menschen da machen?“, immer wieder verweist sie dabei auf die Resolutionen der UN, auf Menschenrechte und internationale Verantwortung. Nicht jeder in Afghanistan sei von der Friedensmission

begeistert, viele stoßen sich an der Präsenz der Vereinigten Nationen. Das Vertrauen zu den Locals aufzubauen sei hart und erfolgt mit sehr viel Fingerspitzengefühl. „Wir haben nicht das Recht, Kulturen zu richten.“, meint Rita Taphorn. Hier ginge es nicht darum, sich über eine Kultur zu stellen, sondern sie mit ihr gemeinsam zu sichern und den nachhaltigen Frieden für sie sicherzustellen. Eine Aufgabe, die nicht ohne Hürden und Herausforderungen zu bewältigen ist.

Neunzig Minuten später ist uns das Aufgabenbild einer Friedensexpertin schon deutlich klarer, wenngleich auch immer noch surreal. Wir sind uns einig, dass die Erfahrungsberichte eine abwechselnde Methode war, sich der internationalen Friedenssicherung zu nähern. Bei Rita Taphorns Frage, ob nun jemand Lust bekommen hat für die UN zu arbeiten, bleiben wir dann aber doch alle eher zurückhaltend…

Gina Hartmann

 

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